Der reine Berg |
Freitag, 3. Januar 2014
Frauen Lange genug habe ihr gemeinsames Warten auf dieses endgültige Ereignis schließlich gedauert. Rabulski hatte nie eine Frau, jedenfalls nicht diejenige, die in ihm das ausgelöst hätte, das gemeinhin als Passion bezeichnet wird. Er verfügte über gar keine Leidenschaft. Er lehnte ab, das ihm, wie der Volksmund behauptet, Leiden schuf. Er hatte sich ohnehin bald nicht mehr für Frauen interessiert, nachdem ihm dieser schöne Mund, den er so gerne geküßt hätte, verwehrt geblieben war. Die Sehnsucht nach ihnen, nach ihr hatte zwar nie nachgelassen, sich aber weitestensteils tief in ihm verborgen, sich nur hin und wieder hin und wieder gezeigt, hatte kurz oder zwischendrin auch mal wieder anhaltend zuckend, als ob sich ein leichter Schlaf mit anschließendem verführerischen Traum ankündige, aufgeleuchtet, wie eines dieser Wetterphänomene, die im hohen Norden, wohin ihn seine dilettantische im Sinne eines in seiner Freizeit Tätigen hin und wieder ebenfalls entsandte, des öfteren sichtbar werden, die allerdings realiter nichts ausmachen als Physik. Erscheinungen. Nun saßen gleich mehrere neben ihm. In ein- und derselben Person. Begonnen hatte es mit jener, die sich unter einem nom de plume insofern an ihn gewandt hatte, als sie Interesse an seinen rechts-philosophischen Ausführungen oder -legungen verdeutlichte. Es setzte sich fort in einer Hinzugekommenen, die sich insofern unter anderem Namen in seine Privatsphäre quasi eingeschlichen hatte, als die sich nicht unterschied von seinem Arbeitsleben, unter dem Vorwand, die wenigen innerhalb des Internets, ungefragt, also ohne sein Zutun, durch eine dieser Public-Relations-Agenturen veröffentlichten Aufsätze zu kommentieren. Besondere Bedeutung maß Rabulski dem nicht bei, da es zu keinem weiteren Austausch kam. Zwar schien es sich um wissende Kommentare zu handeln, im Sinne des Begriffs Intel-lektualität zu verstehenden, also unterscheidungsbefähigten, die eine Diskussion hätte auslösen können, doch sie meldete sich nicht noch einmal zu Wort. Also geriet auch diese weibliche Absenderin rasch außerhalb seines gedanklichen Blickfeldes. Weitere Pseudonyme gesellten sich zwar immer wieder hinzu, von denen er jedoch längst nicht mehr sicher war, ob es sich um solche oder gar um wirkliche Namen handeln könnte. Die nachfolgenden Kommentare zu seinen Ausführungen schienen ihm zudem von ihren Formulierungen her zu sehr auf ein- und dieselbe Person hinzudeuten, zudem schienen sie allzu bewußt kryptisch daherzukommen, als ob er als Adressat mit geheimen Botschaften eingedeckt werden sollte. Er ahnte etwas, verstand es jedoch nicht. Das Rätselhafte an sich war ihm als Jurist ohnehin fremd. Er selbst pflegte eine eindeutigere, deutlichere Sprache, gerade im klaren Hinblick auf seine rechts-philosophischen Bemühungen, die ihm etwaige Verklausulierungen untersagten. Gewiß hatte es seinen Reiz; wäre er selbst leidenschaftlicher beseelt gewesen von sprachlichen Spielereien, hätte es ein Entgegenkommen gegeben. In etwa ließe er sich an einem Begriff festmachen, den, wie er später feststellen durfte oder auch mußte, sowohl geistig als auch räumlich weit entfernte, quasi über Grenzen hinweg, deutschsprachige Kommilitonen der Juristerei einst ersannen, den er leicht ungelenk, aber dennoch nicht ohne Charme mit baise d'esprit übertragen hatte: Kopfvögelei.
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Letzte Aktualisierung: 2014.02.12, 19:21 status
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